Ich gehöre der katholischen Kirche an und in meiner damaligen Gemeindepfarrei wurden jedes Jahr Weihnachtspakete für Häftlinge gespendet. Ich habe an diesen Spendenaktionen stets teilgenommen, jedoch hatte ich einmal den Abgabetermin verpasst und musste das Weihnachtspaket beim Diakon persönlich abgeben. Wir sind dann länger ins Gespräch gekommen und er sagte dann, dass er sich bei mir gut vorstellen könne, dass ich ehrenamtlich Häftlinge betreue. Ich fand das total spannend und habe um Bedenkzeit gebeten. Nach reiflicher Überlegung hatte ich ein paar Wochen später dann zugestimmt.
Daraufhin musste ich mein Führungszeugnis vorlegen und es folgten diverse Eignungsgespräche. Nachdem ich diese erfolgreich absolviert hatte, bekam ich dann eine Zusage als Vollzugshelferin im ehrenamtlichen Dienst. Um nicht ins "kalte Wasser" geworfen zu werden, habe ich andere Vollzugshelfer bei ihren Gesprächen mit Häftlingen begleitet und nach circa 3 Wochen habe ich meinen ersten Häftling zugesprochen bekommen.
Und es kam alles anders als ich gedacht hatte. Mir war nicht bewusst, dass sich ein fremder Mensch so sein Herz öffnen und sogar auf gewisse Art Freundschaft entwickeln kann. Da ich Menschen im Allgemeinen sehr mag, bereiten mir die Gespräche sehr viel Freude. Man muss den Menschen ernst nehmen, die zugesagten Termine auch einhalten und diskret sein.
Als konkretes Beispiel möchte ich eine letzte Begegnung mit einem Häftling schildern. Dieser Insasse war schon eine geraume Zeit inhaftiert und ich habe ihn über eine längere Zeitspanne begleitet. Es waren sehr angenehme, tiefgründige Gespräche. Bei unserem letzten Treffen vor seiner Entlassung hat er sich bei mir herzlich bedankt und gesagt, er habe immer auf die Treffen gewartet, da ihn diese aufgerichtet haben. Bevor diese Treffen zustande kamen, hatte er überlegt, sich selbst das Leben zu nehmen.
Nach dieser Aussage wurde mir die Tragweite bzw. Verantwortung dieser Tätigkeit bewusst. Ich möchte nicht behaupten, dass jeder Häftling so empfindet, aber ich habe für mich entschieden, zuverlässig zu sein, ein hörendes Ohr zu haben und nicht zu verurteilen.
Für die Häftlinge sind wir oft wie ein Ventil nach draußen. Sie können sich bei uns alles von der Seele reden und wir sind nicht parteiisch. Da wir nur eine Seite der Medaille kennen, bleiben wir neutral. Nicht selten habe ich gehört, dass es die Situation auf der Station entspannt, wenn sich der Häftling mit jemanden von "draußen" aussprechen kann.
Was für mich persönlich sehr wichtig ist, ist der Austausch mit den anderen Vollzugshelferinnen und Hauptamtlichen der JVA. Man hat eine Ansprechperson, an die sich der Vollzugshelfer bei Fragen oder Problemen wenden kann. Es ist ein Team - Work. Man betreut eine Person und wird in gewisser Weise auch selbst betreut, was einem Sicherheit gibt.
Wenn jemand Interesse an dieser Tätigkeit hat, muss er aus meiner Sicht nichts Besonderes mitbringen, außer Menschlichkeit und den anderen so anzunehmen wie er ist, geduldig zu sein und ein guter Zuhörer.
Ich bin jetzt 12 Jahre dabei, aber der Diakon, der mich seinerzeit empfohlen hatte, ist jetzt weg....
Liebe Grüße,
Ludmilla Jäckel